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Terre Thaemlitz - Oh, No! It's Rubato
Mille Plateaux/EFA (Pop)
 
- Thomas Venker


In Intro, October 8 2001.

 

Trivial gesagt: die guten Ideen liegen auf der Strasse, man muss sie nur aufheben - und damit hat Terre Thaemlitz nun wirklich kein Problem. Genders produktivster Praxis-Theoretiker oder, wie he-she sagt: "a non-op transgendered queer" arbeitet sich weiter an epochalen Künstlern ab, um deren Werk eine völlig neue Perspektive zu geben. Die Leistung ist gleich zweifach bemerkenswert. Zum einen werkimmanent: Man merkt den Releases die vorausgegangene theoretische und musikalische Auseinandersetzung mit dem Material in ihrer gesamten Komplexität an. Thaemlitz zeigt eindrucksvoll, wieviel auf diesem angeblich so abgegrasten Terrain des Coverns noch möglich ist, wie man durch eine bewusste Kamera-Einstellungsdrehung ein völlig neues Klangbild generieren kann - er geht dabei so weit, selbst die Signifikanz aus den Stücken zu nehmen. Wir sprechen hier nämlich nicht von Verbeugungen an Oval und Co., sondern an - Achtung: hochkulturelle Abgrenzungsstrategie in der Argumentation - "richtige" Song-Musiker wie Kraftwerk und Gary Numan. Mille Plateaux ist für so etwas genau das richtige Label, wenn nicht gar das einzig mögliche. Auch eine Leistung: zu wissen, wo man mit seiner Kunst hingehört. Für sein neues Album hat er sich die kalifornische Art-Pop-Band Devo vorgenommen. Oder, wie es uns Thaemlitz selbst mit auf den Weg gibt: "Prof. Thaemlitz has emerged from the lab with yet another worthless addition to the Rubato piano series." Aber "she's the man with the plan" hat damit natürlich nicht recht. Er hat die Finger nicht nur auf Devo gerichtet, sondern auch ganz zart auf das Piano gelegt und wunderschöne Songs geschaffen. Die Konzentration liegt diesmal wieder zu 100% auf dem Pianosound. Das war nicht immer so. Auf "M.P." liess er Kraftwerk (Rubato-Serie) eine Neuinterpretation zukommen, bei der der Instrumenten-Purismus doch deutlich zugunsten einer Klangvielfalt aufgebrochen wurde. Auf "Means From An End" vereinigte er Jazz und Klassik in moderner Lesart am Piano, allerdings auch mit der durchaus bedeutungsvollen Laptop-Spur. Und auf dem letzten Album "Interstices" dekonstruierte er happiness als Mix aus Sonntagnachmittagsfilmen, Clicks'n'Cuts und Pianofragmenten.

Bei der Devo-Bearbeitung agiert er wesentlich puristischer. Und schliesst am ehesten an die Numan-Interpretation an. Klarheit. Eine Verbeugung an die mathematische Strenge der Devo-Kompositionen. Und an die nur scheinbare Beliebigkeit der gesetzten Sound-Sprengsel. Natürlich verwundert es zunächst, Devo instrumental präsentiert zu bekommen, wo sich diese doch explizit durch die ironisch-politischen Texte, ihre Trivialisierung, Überspitzung amerikanischer Alltagsfloskeln ihren Mehrwert herausgearbeitet haben, doch genau darin liegt auch eine der vielen grossen Leistungen, die hier vollbracht wurden. Thaemlitz setzt mit dem femininen Pianospiel den doppelten Gegenentwurf: zu den maskulinen Keyboards und zu der männlich geprägten Weltordnung, aus der diese Begrifflichkeiten stammen. Die Signifikanz, die eine kleine Tastenfolge hier erreicht, ist, und ich übertreibe nicht, ähnlich sloganhaft wie viele Devo-Klassiker. Listen to the Sprachlosigkeit des Systems. Devo sind in vielerlei Hinsicht eine gute Wahl gewesen. Wahrscheinlich hat Thaemlitz aber der schludrige Umgang, den die Band selbst mit ihrem Material pflegte und der zu einem Katalog weirder Supermarkt-Versionen ihrer regulären Albumversionen führte, angeregt, die Band over the top akademisch zu lesen und zu spielen. Ich stelle mir gerade vor, wie es wohl wäre, wenn Thaemlitz einen meiner Artikel neu schreiben würde, mit der gleichen konzeptionellen Herangehensweise. Nicht unspannend. Oder, noch weiter gedacht: Literatur revisited. Zeit zum Schluss. Und wenigstens der soll traditionell bleiben. Q: Are we not men? - A: We are DEVA! Oopsi.