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Das Paradox des Plattensammlers
Queer Theory auf CD: Cover-versionen von Terre Thaemlitz
 
- Martin Pesch


In Die Tageszeitung, September 3, 1999.

 

1979 erschien das Album "Replicas" von Tubeway Army. Abgeschen vom leuchtfarbenen Preisaufkleber auf meinem Exemplar ("Sonderpreis 18.50") sieht man auf dem LP-Cover Gary Numan, den damaligen Sänger und Kopf der Band, in einem kargen Zimmer vor einem Fenster steben, eine Glühbirne hängt von der Decke. Seine Haare sind hellblond gefärbt, sein Gesicht weiss getüncht, die Augen mit Kajal umrandet. Er trägt ein schwarzes Hemd, einen Schwarzen Schlips und eine schwarze Hose.

Der leicht abgewetzte schwarze Ledergürtel scheint so etwas wie ein letzter Gruss von menschlichem Leben zu sein. Auch seine Fingernägel sind dunkel lackiert. Die Gestalt spiegelt sich im fenster. Die Spiegelung is überblendet mit einem Nachtgemälde, auf dem die Mondsichel leuchtet und der Eingang zu einem Park zu sehen ist, rotorange Neon-buchstaben sagen es.


Gary Numan, Born again: Terre Thaemlitz Abb.: Cover
Heute, zwanzig Mahre später, steht eine aktuelle Platte im Händlerregal, die genauso aussieht. Sie heisst "Replicas Rubato" und ist von Terre Thaemlitz. Anstelle Numans sieht man jetzt den in Kalifornien lebenden Musiker; mit halblangen, hellblonden Haaren steht er in einem schwarzen Abendkleid unter der nackten Lichtquelle.

Thaemlitz hat auf seinem Album Versionen eingespielt von Numan-Stücken, die dieser zwischen 1978 und 1983 veröffentlicht hat. Das war eine dunkle Zeit, in der Punk-Aufbruch versiegt, die von Roxy Music und Bowie in den Siebzigern angestossenen Vorstösse in die Androgynität und damit in Gebiete jenseits von Rock zu glitzerndem Altherrenpop verkamen und Disco als Hort neuen. Vergnügens immer noch die Sache einiger weniger Hipster war.

Inmitten dieser Miseren sah sich Numan mit seinem statishcen Post-Glam-Rock auf der Suche, seine künstlerische Identität an Vorstellungen des "Anderen" zu koppeln. Hier setzt das Interesse von Terre Thaemlitz ein. Er hat "Replicas Rubato", wie alle seine Platten, mit einer ausführlichen Beschreibung seines Anliegens ausgestattet.

Dabei legt er den Schwerpunkt auf die wechselseitige Beziehung zwischen Numans artifeziellen Repräsentationen von sich als Alien ("Me, I Disconnect From You") und als Wesen mit uneindeutigem Geschlect ("Stormtrooper In Drag"). Sein künstlerisches Selbst wird praktisch zu einem Nicht-Ort, an dem sich persönliche und gesellschaftliche Fantasien ("Blade Runner" erscheint) der Abweichung vom "Normalen" kreuzen können. Musikalisch drückt sich das allerdings in einem dazu unpassend scheinenden Stoizismus aus, in dem der stampfende 4/4-Takt und das trockene Gitarrenriff vorherrschen. Da kehrt sozusagen der männliche Körperpanzer als Sound zurück.

Wie es Thaemlitz vor Jahren schon am Beispiel Kraftwerk mit seinen "Roboter Rubato" getan hat, legt er auch die in Gary Numans Musik liegenden Widersprüche offen, indem er ihre strikte Gefasstheit in der musikalischen Form des Rubato offen legt. Das heisst, dass er mit seinen Piano-Versionen der Originale deren Themen aufgreift, verändert, auflöst und mit ihnen eine Kompositionssoftware füttert.

Thaemlitz, der hier nicht zum ersten Mal Queer Theory auf CD praktiziert, geht es dabei nicht um das blosse Gegenüberstellen "männlicher" und "weiblicher" Ausdrucksweisen, sondern um die Überschneidungen, die den Resultaten eigen sind, die von solchen bipolaren Zuschreibungen betroffen werden.